SHÔJÔSHINKAN

NIHON JÛJUTSU & KOBUDÔ - DÔJÔ

im BSV-RHEINBACH E.V.
 

Tonfa-Jutsu


Geschichtliche Ursprünge:

Die Ursprünge dieser Waffe liegen vermutlich in China, jedoch wurde der Umgang erst auf der japanischen Insel Okinawa zur entgültigen Perfektion gebracht. Den Bewohnern von Okinawa wurde gegen 1430 das Tragen von Waffen verboten, woraufhin sie begannen Gegenstände des täglichen Gebrauchs oder aber auch Werkzeuge und Arbeitsgeräte als Mittel zur Selbstverteidigung zu verwenden. Wie bei vielen anderen Waffen ist der ursprüngliche Gebrauch des Tonfa nicht restlos geklärt. Die nachfolgend dargestellten Möglichkeiten werden immer wieder benannt, sind nachvollziehbar und liegen daher sehr nahe.
Die erste Möglichkeit beschreibt, dass es sich beim Tonfa höchstwahrscheinlich um die Kurbel handelt, die ein Müller benötigte um den schweren Mühlstein einer Handmühle von Hand zu drehen. Hierzu wurde das lange Ende des Schaftes in ein Loch des flach liegenden Mühlsteines eingeführt, so dass der Müller den kurzen Griff des Tonfa leicht ergreifen und auf diese Weise den Mühlstein drehen konnte.

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(Mühlstein mit Tonfa)

Einer anderen Meinung zur Folge handelt es sich beim Tonfa um eine verkürzte Variante einer Langwaffe, die im alltäglichen Gebrauch als Krücke verwendet wurde. Ein weiterer Erklärungsversuch zur Entstehung des Tonfa besagt, es handele sich beim Tonfa um den oberen Teil einer Sense, der von der Klinge getrennt wurde. Als letzte Möglichkeit kommt noch in Betracht, dass es sich beim Tonfa auch um ein Arbeitsgerät gehandelt haben könnte, mit dem Reis oder anderes Getreide von den Schalen getrennt wurde.

Als Werkzeug war das Tonfa bei zahlreichen Völkern des fernen Ostens im Gebrauch. Vor allem in China war es traditionell als „eisernes Lineal“ bekannt. Zur Verbreitung kann man sagen, dass es überwiegend in Zentralchina und nur teilweise in Nordchina in Gebrauch war. Wann genau die Wandlung vom Werkzeug oder Arbeitsgerät zur Waffe stattgefunden hat ist unklar. Es ist jedoch als gesichert anzusehen, dass das Tonfa spätestens Anfang des 17. Jahrhunderts als Waffe zur Selbstverteidigung eingesetzt wurde.

Grafik Weiterhin ist bekannt, dass der okinawanische Meister Matsu Higa zumindest einen ausländischen Tonfa-Stil nach Okinawa brachte. Es ist jedoch nicht sicher, ob dieses tatsächlich der Anfang des Tonfa-Jutsu auf Okinawa war. Dagegen steht fest, dass einigen Schulen des Quanfa (Kung-Fu) auch Tonfa-Kata enthielten. So kommt es, dass auch der Ursprung des Namens Tunkuwa in China zu suchen ist. Er leitet sich aus der chinesischen Bezeichnung „Shuang Guai“ ab. Hierbei steht Shuang für „Paar“ und Guai (Kwai/Kuai) für „drehen“. Auf Okinawa wurde dann Shuang zu „Nun“ oder „Tun“, so dass das aus Tun-Kwai das okinawesische Wort Tunkuwa entstand.

           (Meister Matsuhiga)


Entwicklung:

Nachdem das Tonfa zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert vom Arbeitsgerät, bzw. Werkzeug zur Waffe entwickelt worden war, entdeckte 1970 ein amerikanischer Polizeibeamter die Vorzüge dieser (Schutz)waffe, woraufhin das Tonfa dann innerhalb der nächsten 15 Jahre flächendeckend bei den meisten Polizeidienststellen der USA eingeführt wurde. Mitte 1980 kam das Tonfa unter den Bezeichnungen EMS oder RMS nach Deutschland, wurde aber anfänglich nur von Spezialeinheiten der Polizei, sowie dem Bundesgrenzschutz verwendet. In einigen Bundesländern, wie zum Beispiel Niedersachsen, Bayern oder Sachsen, wird das Tonfa aber zwischenzeitlich auch im Streifendienst der Schutzpolizei eingesetzt. Des Weiteren wird es auch bei den Feldjägern und der Justiz als Einsatzmittel verwendet. Weltweit betrachtet ist das Tonfa bei vielen Polizeitruppen, Sicherheits- und Rettungsdiensten im Einsatz. Die grundsätzliche Funktionsweise ist bei allen Tonfa-Arten identisch. Durch die unterschiedlichen Schaftformen ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede bei den Rotationsgeschwindigkeiten. Moderne Tonfa werden in der Regel nur noch mit rundem Schaft gefertigt, welcher jedoch im Bereich des Griffstücks leicht abgeflacht sein kann. Durch die auf diese Weise entstehende größere Auflagefläche sollt der Kontakt zum Unterarm verbessert werden, das Tonfa hierdurch sicherer am Arm anliegen. Die Befestigung des Griffstücks wurde bei traditionellen, hölzernen Tonfa durch eine Verkeilung des Griffstücks im Schaft realisiert. Heutzutage werden EMS/RMS normalerweise in einem Stück gegossen, so dass das Griffstück untrennbar mit dem Schaft verbunden ist. Moderne Tonfa sind zudem oft am Griffstück, sowie am vorderen Ende des Schafts mit Rillen versehen, die den sicheren Griff erleichtern sollen. Das Gewicht kann je nach schwere des verwendeten Materials, sowie Länge und Form des Tonfa zwischen 350g und 700g liegen. Der Verfasser bevorzugt Tonfa aus Polycarbonat, da diese fast unverwüstlich sind und durch ihr hohes Gewicht eine deutliche Wirkung beim Angreifer erzielen.


Trainingsinhalte:

Grafik Im Gegensatz zu dem klassischen Tonfa-Jutsu des traditionellen Kobudo, welches unter anderem auch Verteidi-
gungstechniken gegen das Schwert und den Langstock enthält, sind die im modernen Tonfa-Jutsu gelehrten Kom-
binationen fast ausschließlich auf die Erfordernisse der Selbstverteidigung des 20. Jahrhunderts ausgerichtet. Klassische Trainingselemente, wie zum Beispiel die Kata sind dagegen im modernen Tonfa-Jutsu nicht enthalten. Wir möchten an dieser Stelle jedoch ausdrücklich betonen, dass dieses keine Abwertung des klassischen Tonfa-Jutsu darstellen soll ! Das Ausbildungsprogramm enthält neben Techniken gegen Schlag- und Trittangriffe, Würge- und Griffabwehren. Zudem die Verteidigungen gegen Waffen, wie zum Beispiel Messer und Stock. Daneben werden auf Wunsch auch Techniken gegen besondere Waffen, wie Baseballschläger, Metallrohr oder eine Holzlatte eingeübt. Der Unterricht enthält neben dem trainieren der Basistechniken und den Handlingübungen (Einzelübung), auch das Partnertraining, Gruppentraining, Training unter Verwendung von Schutzausrüstung, Schlagübungen, Drills, Reaktionstraining, das Abwehren freier Angriffe, Stresstraining u.v.m. Auf Wunsch kann auch die Konditionskomponente mit in die Übungen einfließen. Neben den rein technischen Inhalten umfasst das Training im Tonfa-Jutsu zusätzlich die Lehre über empfindliche Körperstellen (Atemi-Punkte), sowie Nervendruck- bzw. Schmerzpunkte (Kyoshu-Punkte). Weiterhin gehören die waffenrechtlichen Vorgaben, die Bestimmungen der Notwehrgesetzgebung, der Einsatz des Tonfa als Rettungsmittel, sowie die deutschen und japanischen Nomenklatur mit zum Ausbildungsprogramm. Es ist natürlich auch möglich, andere Inhalte mit in das Tonfa-Training aufzunehmen. So entstand zum Beispiel bei den Schülern der Wunsch, einmal einen Bruchtest mit dem Tonfa durchzuführen, um die eigene Schlagkraft zu erfahren. Wir nehmen gerne jederzeit Anregungen entgegen und versuchen diese je nach Durchführbarkeit auch umzusetzen. Im traditionellen Tonfa-Jutsu wurde das Tonfa grundsätzlich paarweise geführt. Im modernen Tonfa-Jutsu (auch Tonfa-SV genannt) wird in den unteren Stufen der Ausbildung die Handhabung eines einzelnen Tonfa eingeübt. Ab dem 2. Kyu (blauer Gürtel) sehen Ausbildungs- und Prüfungsprogramm auch das parallele Führen von zwei Tonfa vor.

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(Beamte der 14. Bereitschaftspolizeihundertschaft beim Training)


Training:

Inhaltlich orientieren wir uns sehr eng an den Ausbildungsrichtlinien und dem Prüfungsprogramm des Bundes Deutscher Jujutsuka (BDJJ). Zudem fließen jedoch noch weitere Inhalte in das Training ein. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Techniken, wie sie bei (Spezial)einheiten der Polizei Verwendung finden und die sich im Alltag der Sicherheitsdienste bewährt haben. Aus diesem Grund basiert die Handhabung überwiegend auf Techniken und Formen, die aus dem Bereich des Jiu-Jitsu / der Selbstverteidigung stammen. Es finden sich jedoch zudem auch Inhalte aus weiteren Kampfkünsten, unter anderem aus der philippinischen Kampfkunst Modern-Arnis wieder. Eine persönliche Betreuung seitens des BDJJ erfolgt durch den Bundesbeauftragten für Waffentechniken des BDJJ, Herrn Sebastian Gnotke (6. Dan Ju-Jutsu / 3. Dan Tonfa-Jutsu / 2. Dan Modern-Arnis / 1. Dan Kobudo / 1. Dan Combat-Arnis). Für das Training verwenden wir Tonfa aus unterschiedlichsten Werkstoffen. Im Gegensatz zum ursprünglich verwendeten Holz, werden moderne Tonfa (EMS/RMS) aus Policarbonat, Xenoy, Hartgummi oder aus einfachen Kunststoffen, z.B. Polyvinylchlorid (PVC) oder Polypropylene (PP) gefertigt.


Vorteile des Tonfa:

Im Gegensatz zu einem einfachen Stock oder Knüppel verfügt das Tonfa durch den seitlich angebrachten Griff über eine zweite Drehachse. Hierdurch ergibt sich eine Vielzahl weiterer Anwendungsmöglichkeiten. Der Einsatz kann sowohl passiver, als auch aktiver Natur sein. Beim unterstützenden Einsatz werden bereits bekannte Techniken, wie zum Beispiel Block- oder Schlagtechniken, lediglich durch das Tonfa verstärkt. Dieses hat zur Folge, dass vor allem Schülern die bereits Erfahrungen in anderen Kampfkünsten haben, der Einstieg in das Tonfa-Training in aller Regel sehr leicht fällt. Doch auch Anfänger, die zum ersten Mal eine Kampfkunst erlernen, wird durch den besonderen Aufbau des Prüfungsprogramms der Einstieg in das Tonfa-Jutsu besonders leicht gemacht. Zudem kann durch das Training einer Waffen-Disziplin das Verständnis für Formen der waffenlosen Kampfkünste vertieft werden. Für Polizeibeamte bietet sich das Training mit dem Tonfa besonders an, da es die Lücke zwischen einfachen Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt (Reizstoffsprühgerät) und dem finalen Mittel (Schusswaffe) schließt.


Zielgruppe:

Modernes Tonfa-Jutsu eignet sich für jeden, der Interesse am Erlernen einer Waffen-Disziplin hat, unabhängig davon ob bereits Kenntnisse in anderen Kampfkünsten vorhanden sind oder nicht. Auf Grund der Nähe zum Bereich des Jûjutsu, bzw. Modern-Arnis ist das Tonfa-Jutsu für Ausübende dieser Stile besonders empfehlenswert. Unser Angebot richtet sich sowohl an Breiten- oder Freitzeitsportler, als auch an Interessenten, die aus beruflichen Gründen am Tonfa-Training teilnehmen möchten (z.B. Polizeibeamte oder Bedienstete der Sicherheitsbranche). Grundsätzlich hat jeder das Potential am Training teilzunehmen. Besondere Voraussetzungen sind nicht erforderlich. Da sowohl die klassische Variante, als auch die moderne Tonfa-SV bis in das hohe Alter betrieben werden können, erfreut sich das Tonfa-Jutsu in den letzten Jahren steigender Beliebtheit. Wir möchten an dieser Stelle alle Interessenten herzlich zu einem Probetraining einladen.


Trainingsausstattung:

Der Einstieg in das Tonfa-Training kann in normaler, robuster Sportkleidung absolviert werden. Später empfiehlt sich der Erwerb ein mittelschweren Trainingsanzugs (Keikogi). Dieser kostet je nach Qualität und Konfektionsgröße etwa zwischen 50,00€ und 150,00€. Ein einfaches Tonfa aus Holz ist ab ca. 8,00€, ein Tonfa aus Kunststoff ab ca. 12,00€ erhältlich. Obwohl wir Anfängern das Kunststoff-Modell empfehlen, reichen beide Varianten anfänglich vollkommen aus. Sehr gute in Handarbeit hergestellte Tonfa sind bereits ab ca. 25,00€ zu erwerben. Wer mehr investieren möchte, entscheidet sich in der Regel für einen EMS aus Polycarbonat, welcher mit ca. 70,00€ zu Buche schlägt. Alle Waffen und Anzüge können auf Wunsch über uns geordert werden.


Begriffserklärungen:

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Grafik (Bezeichnung der Waffenteile in japanischer Sprache)



Waffenrechtliche Bestimmungen:

Beim Tonfa handelt es sich zwar zweifelsfrei um eine Hiebwaffe, gem. §1(2) Ziffer 2 Waffengesetz (WaffG). Tonfa zählen jedoch zu den "erlaubnisfreien Waffen", so dass der Umgang mit dieser Waffe grundsätzlich nicht verboten ist. Es bedarf zwar keiner besonderen Erlaubnis, jedoch müssen um mit dem Tonfa umgehen zu dürfen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Das 18. Lebensjahr muss vollendet sein.
2. Die grundsätzliche Eignung zum Umgang mit Waffen muss gegeben sein.
3. Der Umgang mit erlaubnisfreien Waffen darf behördlich nicht untersagt worden sein.
4. Ein berechtiges Interesse gem. §42a WaffG muss vorliegen.

Letzeres liegt nach §42a(2) Nr. 3 insbesondere dann vor, wenn das Führen des Tonfa im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt, der Brauchtumspflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck dient.

Werden die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, so ist grunssätzlich das Führen eines Tonfa in der Öffentlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen gestattet.

Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass in den folgenden Fällen auch das Führen von erlaubnisfreien Waffen verboten ist:

1. Bei öffentlichen Versammlungen, sowie auf dem Wege dorthin.

Hierzu zählen dann unter anderem: Demonstrationszug, Sternmarsch, Fackelzug, Schweigemarsch, Kundgebung, Mahnwache, Menschenkette, Versammlungen im Zusammenhang mit Streik ! u.v.m.

2. Bei öffentlichen Veranstaltungen.

Hierzu zählen zum Beispiel: Volks-, Straßenfest, Sportveranstaltung, Messe, Jahrmarkt, Oktoberfest, Kinobesuch oder ähnliches.

Bei Nichtbeachtung der waffenrechtlichen Vorgaben ergeben sich die gesetzlichen Sanktionen aus folgenden Rechtsvorschriften:

• Führen in der Öffentlichkeit, obwohl die Voraussetzungen des §42a WaffG nicht Vorliegen; Verstoß = Ordungswidrigkeit gem. § 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG.

• Erwerb nur von Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gem. § 2 Abs. 1 WaffG.; Verstoß = Ordungswidrigkeit gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 WaffG.

• Überlassen nur an Berechtigte (Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben), gem. § 34 Abs. 1 WaffG.; Verstoß = Ordungswidrigkeit gem. § 53 Abs. 1 Nr. 16 WaffG.

• Handelsverbote im Reisegewerbe, im Marktverkehr und ähnlichen Veranstaltungen, gem. § 35 Abs. 3 WaffG.; Verstoß = Straftat gem. § 52 Abs. 1 Nr. 3 WaffG.

• Verbot des Führens bei bestimmten öffentlichen Veranstaltungen, gem. § 42 Abs. 1 WaffG.; Verstoß = Straftat gem. 52 Abs. 3 Nr. 9 WaffG.

Um das Tonfa-Jutsu (sowie das Tonfa an sich) nicht in Verruf zu bringen, sollte das Training in der Öffentlichkeit sehr sensibel gehandhabt, bzw. betrachtet werden.


Fazit:

Beim Tonfa handelt es sich um eine leicht zu erlernende, sehr effektive Waffe, deren Ursprünge im japanischen Kobudo liegen. Es sollte nicht als irgendein Schlagholz für die Straße angesehen werden, sondern als traditionelle Waffe, mit der man auch dementsprechend bewusst und verantwortlich umgehen muss. Deshalb ist das Training auch nur für Personen zugänglich, die über das nötige Alter und die erforderliche geistige Reife verfügen. Das Einstiegsalter liegt auf Grund der rechtlichen Vorgaben des Waffengesetzes bei mind. 18 Jahren. Jüngeren Schülern wird das Training nur in besonderen Ausnahmefällen zugänglich gemacht.


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